Interview mit Karlheinz und Almaz Böhm
21 März, 2009 by Christine Losso
„Meine Motivation war die Wut“ Karlheinz Böhm war einst ein gefeierter Schauspieler, bis er 1976 ein Schlüsselerlebnis hatte und nach Afrika ging. Seither lassen ihn die Ärmsten der Armen nicht mehr los. Er gründete die Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“, in der heute auch seine aus Äthiopien stammende Frau Almaz mitarbeitet. Das Ehepaar wird am Freitag, 27. März, im Forum in Brixen erwartet
Christine Losso: Herr Böhm, 1981 waren Sie zu Gast bei Thomas Gottschalk und seinem Wetten Dass. Sie wetteten, dass sie es nicht schaffen würden, dass jeder dritte Zuschauer eine Mark für ihre Projekte in der Sahel Zone spenden würde.
Karlheinz Böhm: Zunächst einmal darf ich sagen, dass die Sendung damals noch von ihrem eigentlichen Erfinder Frank Elstner moderiert wurde. Ich selbst hatte damals noch keine Projekte in der Sahelzone und habe daher gewettet, „dass nicht einmal jeder dritte Fernsehzuschauer eine D-Mark, einen Schweizer Franken oder 7 Österreichische Schilling für Not leidende Menschen in der Sahelzone spenden würde.“ Für den Fall, dass ich diese Wetter verliere, hatte ich angeboten, selbst unter Umgehung aller Hilfsorganisationen dafür zu sorgen, dass das Geld den Bedürftigen zugute kommt. Obwohl ich die Wette gewonnen habe, waren die rund 1,2 Millionen Mark, die als unmittelbare Reaktion auf diesen Appell zusammengekommen sind, für mich Motivation genug, mit meinem eigenen Einsatz zu beginnen.
Nach diesem furiosen Start konnten Sie in Äthiopien schon sehr viel tun. Haben Sie es je bereut, den anderen Weg eingeschlagen zu haben und warum haben Sie ihn eingeschlagen?
Karlheinz Böhm: Meine grundsätzliche Motivation war die Wut über die Ungerechtigkeit und die ungeheure Diskrepanz zwischen Arm und Reich auf unserem gemeinsamen Planeten. Nachdem ich dann in Äthiopien zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht mit dem konfrontiert wurde, was wir als „Armut“ bezeichnen, hat sich die Frage nach dem „Warum“ nie mehr gestellt und ich hatte meinen Lebenssinn gefunden.
1986 haben Sie Ihre spätere vierte Ehefrau Almaz Teshome kennen gelernt. Wie?
Karlheinz Böhm: Meine Frau Almaz habe ich bei der Arbeit in Äthiopien kennen gelernt, als sie als Viehzuchtexpertin im ersten Projektgebiet von Menschen für Menschen gearbeitet hat. Frau Almaz Böhm, wie haben Sie Ihren Mann vorerst empfunden und was hat Sie motiviert, mit ihm an einem Strang zu ziehen? Almaz Böhm: Als Äthiopierin war ich zunächst vor allem sehr positiv überrascht davon, wie er mit seinen Mitarbeitern umgegangen ist; Männer wie Frauen wurden mit dem gleichen Respekt behandelt und gleichermaßen in ihrer Erfahrung und Qualifikation ernst genommen. Außerdem hat mich sehr beeindruckt, dass er als Europäer nicht mit fertigen Lösungen gekommen ist, sondern mit den bedürftigen Menschen gemeinsam die Ursachen ihrer Probleme diskutiert und die nötigen Maßnahmen entwickelt hat. Dieser partizipatorische Ansatz, den wir bei Menschen für Menschen bis heute konsequent weiterverfolgen, hat mich absolut überzeugt. Was ist das Geheimnis Ihrer Ehe, Sie haben zwei gemeinsame Kinder, was das Geheimnis Ihres Erfolges, den Sie seit nunmehr 23 Jahren gemeinsam meistern? Almaz Böhm: Wir tauschen uns ständig aus und ergänzen uns sehr gut. Mein Mann hat sehr viel Lebens- und Arbeitserfahrung, von der wir alle profitieren können. Ich kann aus der Sicht der Äthiopierin bei der gemeinsamen Arbeit viele Informationen über kulturelle Hintergründe und die Mentalität meiner Landsleute beisteuern.
Herr Böhm, welche Projekte, Interessen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Karlheinz Böhm: Es ist wichtig zu verstehen, dass es bei unserem Ansatz der Hilfe kein Projekt gibt, das wichtiger oder interessanter wäre als andere. Alle Maßnahmen orientieren sich an den dringenden Bedürfnissen der Menschen und nur alle zusammen können eine wirkliche Verbesserung für ihre Lebenssituation bewirken.
Herr Böhm, welche Rolle wollen Sie den Frauen zugestehen? Frau Böhm, welche Rollen sollten den Frauen zustehen?
Karlheinz Böhm und Almaz Böhm: Selbstverständlich sollte den Frauen und Mädchen in Äthiopien genau das zustehen, was für die weibliche Bevölkerung auf der ganzen Welt gelten sollte: die absolute Gleichberechtigung und Gleichstellung mit den Männern. Frau Böhm, die Weltwirtschaftskrise wird insbesondere die armen Länder der Erde wieder einmal besonders hart treffen. Wie sollte der Westen reagieren? Almaz Böhm: Die weltweite Finanzkrise betrifft uns alle – und leider werden wieder einmal die afrikanischen Länder die Konsequenzen besonders zu spüren bekommen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass gerade in diesen Zeiten die Unterstützung für ein Land wie Äthiopien nicht vergessen wird. Trotz aller Probleme sind die westlichen Industrienationen immer noch in der besseren Situation und daher auch weiterhin in der Lage zu helfen.
Herr Böhm, was wollen Sie Ihren eigenen Kindern mit auf dem Weg geben, welche Botschaft wollen Sie der Welt hinterlassen?
Karlheinz Böhm: Mir ist es besonders wichtig, die junge Generation immer wieder daran zu erinnern, dass sie bestehenden Probleme auf unserem gemeinsamen Planeten nicht ignorieren oder einfach hinnehmen dürfen, sondern dass sie sich jeder Einzelne aktiv für Verbesserungen einsetzen kann und muss.
Interview: Christine Losso
Über Karlheinz Böhm
Vor 27 Jahren war Karlheinz Böhm auf dem Höhepunkt seiner schauspielerischen Karriere. Und viele erinnern sich auch heute noch an seine Paraderolle als Kaiser Franz Josef, der mit Sissi alias Romy Schneider Mitte der Fünfiziger Jahre Weltruhm erlangte. 1976 kam Böhm erstmals mit der so genannten Dritten Welt in Berührung. Er hatte dort ein Schlüsselerlebnis, die Armut erschütterte ihn zutiefst. Und in Äthiopien entdeckte er seine wahre Bestimmung und gründete 1981 die Hilfsorganisation “Menschen für Menschen”. Um den Einsatz der Spenden ohne Verwaltungskosten der Organisation zu gewährleisten, lebt Karlheinz Böhm mit seiner Frau Almaz mehrere Monate im Jahr selbst in Äthiopien. Für Ihren Einsatz in Äthiopien und Europa beziehen sie beide kein Gehalt und tragen dadurch dazu bei, die Verwaltungskosten der Organisation gering zu halten.
Karlheinz Böhm geht es ständig um die Hilfe zur Selbstentwicklung für Äthiopien. In acht Projektgebieten in einem der ärmsten Länder der Erde konnten er und seine Frau Almaz für bessere Chancen für über drei Millionen Menschen im ländlichen Äthiopien sorgen. 203 Schulen, 85 Krankenstationen, fünf Polikliniken, drei Krankenhäuser, das ist das Ergebnis der unermüdlichen Arbeit des Ehepaars. Der Verein „Menschen für Menschen“ setzt sich vor allem in den Bereichen Bildung und Alphabetisierung, Landwirtschaft, Wasserversorgung, Infrastruktur, Gesundheit und für die Rechte der Frauen ein. Dabei geht es immer gemäß dem Credo „Wenig Verwaltung, viel Hilfe“, und um dieses Ziel erreichen zu können, beschäftigt „Menschen für Menschen“ in Äthiopien 773 MitarbeiterInnen, darunter nur fünf Europäer.
Darüber hinaus unterstützen dutzende ehrenamtliche Helfer, die zum Teil in regionalen Arbeitskreisen organisiert sind. In diesen 25 Jahren sei unglaublich viel erreicht worden, doch es gebe noch viel zu tun, sagen die Böhms. Ziele sind die Ausweitung der Projektgebiete innerhalb des Landes und damit die Verbesserung der Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung sowie der weitere Ausbau des Schwerpunktbereichs Bildung. Im Rahmen des neuen Bildungsprogramms „ABC – 2015“ baut „Menschen für Menschen“ allein im Jahr des 80. Geburtstages von Karlheinz Böhm, 2008, insgesamt 36 neue Schulen. Am Freitag, 27. März war das Ehepaar Böhm zu Gast im Kongresszentrum des Forums in Brixen. Der gesamte Erlös des Abends ging an Menschen für Menschen.“